Arbeitsgruppe „Unterlagen/Wurzelechte Obstbäume“
Am letzten Samstag kam die Arbeitsgruppe „Unterlagen/Wurzelechte Obstbäume“ des Pommologenvereins erstmals (virtuell) zusammen. Die Einladung war Ende 2024 rausgegangen und fasste das Thema etwa so zusammen:
Kirchensaller Mostbirne und Bittenfelder Sämling kommen als Unterlage an ihre Grenzen. Krankheiten, Schädlinge und immer längere Trocken- und Hitzeperioden setzen diesen Unterlagen seit einigen Jahren stark zu. Alternative starkwachsende Unterlagen fehlen durch einen absoluten Mangel an Forschung auf diesem Gebiet in den letzten 70 Jahren. Das früher vorhandene Wissen ist in dieser Zeit verdunstet und auch sehr schlecht dokumentiert. Gesunde, hochvitale, starkwüchsige Streuobst-„Methusalembäume“ könnten den Weg weisen. Dazu müsste es gelingen, diese Eigenschaften für Streuobstbäume der Zukunft zu nutzen. Gibt es Wege, diese Bäume mit ihren Eigenschaften als zukünftige Unterlagen oder sogar als wurzelechte Bäume zu gewinnen? Die Idee entstand innerhalb des Pomologen-Vereins, in einer AG an dieser Herausforderung so zu arbeiten:
- zunächst Akteure in diesem Bereich ausfindig machen
- Interessenten zusammenbringen und
- ein gemeinsames Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre formulieren
- und dieses schrittweise umsetzen.
- Suche nach Sponsoren
1) Suche nach geeigneten Mutterbäumen Anforderungen an zukunftsfähige Obst-Unterlagen sind Starkwüchsigkeit, maximale Vitalität und hohe Widerstandsfähigkeit gegen die bedeutendsten Schaderreger. An erster Stelle steht dafür die Identifizierung von alten (= evolutionsgetesteter) und immer noch vitalen Äpfeln und Birnen u.a. zur Saatgut-Gewinnung. Auch die Anzucht starkwüchsiger Bäume auf eigener Wurzel ist ein wichtiges Thema. Die angestrebten Unterlagen-Sorten und wurzelechten Edelsorten sollen gut vermehrbar sein, für unterschiedliche Standorte geeignet, ertragsstabil und bei Veredlung eine hohe Affinität zu den Edelsorten aufweisen. Zudem sollen sie extrem robust (Beispiel Birnenverfall, Schwarzer Rindenbrand) und unter normalen Bedingungen möglichst widerstandsfähig gegen Schädlingsbefall sein (Beispiele Blutlaus, Kragenfäule, Obstbaumkrebs).
2) Mögliche Anzuchtverfahren
- Sämlingsanzucht geeigneter Sorten oder Arten in Gewächshäusern/Containern oder in Tresterbeeten oder Direktsaaten an spätere Standorte
- Malus domestica: z.B. Samen von Luikensorten, Pomme d’or, Genereuse de vitry u.a. geeignete Sorten
- Malus sylvestris
- Malus sieversii
- Malus sylvestris spp.: z.B. aus Sommertrockengebieten wie Südsyrien.
- Kreuzung geeignet erscheinender Sorten oder Arten, um neue „Unterlagentypen“ zu finden
- Stecklinge, Steckhölzer
- Risslinge von geeigneten Streuobsthochstämmen
- Hilfswurzler (Tiefveredlung auf Standardunterlagen wie M 9 oder Bittenfelder, anschließend bei Verpflanzung Veredlungsstelle tiefer in die Erde zum Freimachen der starkwachsenden Unterlage)
- Meristemvermehrung
- Weitere ??? 2a) Anzuchtpartner Um Risiken zu minimieren, ist es sinnvoll, die Anzucht neuer Unterlagen, die dann zu testen sind, auf verschiedene verlässliche Partner zu verteilen. Somit werden auch Personen gesucht, die derartige Möglichkeiten haben. (Landwirtschaftsland, alte brach liegende Gewächshäuser, Baumschulen mit Nischenoptionen, …). 3) Testpflanzungen Langfristiges Beobachten und Bonitieren der erhaltenen Jungbäume auf verschiedenen Standorten:
- Idealerweise in größerer Wiederholungszahl
- Evt. Vergleichsbäume als Standard mit Bittenfelder als Unterlage Entweder bei Eignung als wurzelechte Bäume oder je nach Standort mit geeigneter hochvitaler Lokalsorte veredelt
- Evtl. auch eine bundesweit vorkommende Sorte wie Winterrambour oder Brettacher zum bundesweiten Vergleich
- Eintragung der Bäume mit Info zum Baum und GPS-Daten für längerfristige Datenerhebungen (10 bis 30 Jahre und mehr) […]
Es wird noch ein Protokoll der Veranstaltung geben; es war jedenfalls sehr inspirierend. Was mir nochmal klar geworden ist, ist der Zusammenhang zwischen mDNA und der ersten Lebensjahre eines Baumes:
Ein Baum hat ein riesiges Genom. Innerhalb der ersten Standjahre wird entschieden, welche Teile des Genoms angeschaltet werden und welche nicht weiter verwendet werden. Diese Fähigkeit hat ein Baum nur die ersten Jahre. Deswegen sollte er wohl möglichst früh in seine finale Umgebung gepflanzt werden. Damit wäre das Pflanzen von “fertigen” Hochstämmen der falsche Ansatz. Vermutlich ist das Einpflanzen von 1-2 jährigen Unterlagen und eine Feldveredelung ein guter Ansatz. Auch ist es vermutlich gar nicht falsch, den jungen Baum Trockenheitsstress etc. auszusetzen.
Generell besteht auch sehr viel unwohlsein mir der Praxis des “verschulens” bei dem die Bäume einen Großteil ihrer Wurzeln lassen müssen.
Ich bin gespannt, was in der Arbeitsgruppe die nächsten Monate folgt!
Was ich zu Unterlagen lerne, notiere ich unter notizen.23.nu.